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Kreislaufwirtschaft


Wenn man so überzeugende Ideen für eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft entwickelt wie Walter Stahel (1995), sollte man ein Problem nicht verschweigen: In einer Wirtschaft, in der die Wertschöpfung aus Verschwendung unterbunden wird, werden die Realeinkommen sinken, es gibt also kein Potential für steigende Gewinnmargen aus Wiederverwendung, Reparatur, Pflege, Langlebigkeit.

Steigende Realeinkommen (in Geld) ergeben sich aus steigender Produktivität: Steigende Produktivität heißt mehr herstellen in der gleichen (Arbeits-)Zeit - also bin ich reicher, wenn ich am Abend nach Hause gehe (vorausgesetzt, der Arbeitgeber lässt mir einen Teil der erhöhten Produktivität). Das ist der Kern der Wohlstandssteigerung durch die Industrialisierung: An zwei mechanischen Webstühlen (die er gleichzeitig betreuen kann) kann ein angelernter Junge viermal soviel Tuch weben wie ein erfahrener Weber an einem älteren Handwebstuhl (Landes 1973), die mechanische Spinnmaschine (mule), mit der die industrielle Revolution be­gann, produzierte 200 mal soviel Garn wie ein Spinnrad, ein moderner Spinnauto­mat weit mehr als das Tausendfache.

Das ist im Rahmen des existierenden Wirtschaftssystems der Pferdefuß von Stahels Kreislaufwirtschaft mit erhöhter Ressourcenproduktivität: die monetäre Wertschöpfung, die in der kapitalistischen Marktwirtschaft bei der Verwandlung von Ressourcen in geldwerte Güter und Dienstleistungen und deren Vermarktung entsteht, schrumpft. Entsprechend schrumpfen die Einkommen, die verteilt werden können. Entsprechend schrumpfen die Mittel, die als Kaufkraft (zur Erzielung von Gewinnmargen) und über den Arbeitsmarkt (zur Aufrechterhaltung annähernd gleicher Einkommensverhältnisse) verteilt werden können. In der heutigen Wirtschaft mit ihrer großen Arbeitsproduktivität (auf Kosten der Ressourcenproduktivität) werden Branchen mit niedriger Arbeitsproduktivität (Biobauern, Friseure, Fahrradreparatur) subventioniert. In einer Wirtschaft, in der die Arbeitsproduktivität schrumpft, weil die Ressourcenproduktivität steigt, ist der Topf für diese Subventionen leer.

Das ist kein prinzipieller Einwand gegen Stahels Plädoyer für eine Erhöhung der Ressourcenproduktivität der Güter. Zwar sinken dadurch, wie gesagt, die Realeinkommen, aber der Wohlstand (im Sinn der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern) würde dadurch nicht sinken. Es wäre zwar am Monatsende, sagen wir, nur halb so viel Geld auf dem Konto, aber da die Gebrauchsgüter doppelt so lang halten, brauchte man ja auch nur halb so viel an Gütern zu kaufen. So weit, so gut. Aber im gleichen Umfang würde auch die primäre Wertschöpfung schrumpfen, die dort entsteht, wo neue Güter in großen Mengen mit hoher Produktivität produziert und in den Markt gepusht werden, also die Skalenerträge, die Stahel selbst erwähnt - eine Form der Arbeits- und Kapitalproduktivität -, und die Gewinne, die dadurch entstehen, dass das erfolgreiche Unternehmen durch das Erspüren, Schaffen und Ausnutzen von Präferenzen einen überproportionalen Anteil des dank hoher Arbeitsproduktivität hohen Realeinkommens in seine Kassen lenken kann.

Es sinkt also die zur Verteilung verfügbare monetäre Wertschöpfung, es sinkt das Realeinkommen, es sinkt die nachfragewirksame Kaufkraft. "Wenn statt Güter deren Nutzung verkauft wird, werden trotz Ressourcen- und Umweltschonung mindestens die gleichen Umsätze erwirtschaftet wie beim heutigen Verkauf der Güter" (Stahel 1995:185) - das wird damit zum frommen Wunsch.

Es ist jammerschade, daß damit ilusionären Hoffnungen Vorschub geleistet wird, denn Stahels Vorstellungen von einer Kreislaufwirtschaft mit erhöhter Ressourcenproduktivität verdienen größte Beachtung:

"a) eine Verminderung der Geschwindigkeit der Ressourcenströme durch Strategien der Langlebigkeit, d.h. der Verlängerung der Nutzungsdauer der Güter im Markt, und
b) eine Verminderung des Volumens der Ressourcenströme durch Strategien einer intensiveren Nutzung der Güter im Markt" (Stahel 1995:185).

Die Langlebigkeit soll erreicht werden durch langlebig konzipierte bzw. wartungsfreie Güter sowie durch Strategien der Instandhaltung (Dienstleistungen zur Nutzungsdauerverlängerung wie Reparatur, Aufarbeitung, technologisches Hochrüsten) und der Wiederverwendung (z.B. Kaskadennutzung und Entschaffung (Re-Marketing)). "Nutzungsdauerverlängerung heißt Abfallvermeidung nicht nur in der Nutzungsphase der Güter, sondern ebenso in Fertigung, Vertrieb/Verpackung und Recycling/Entsorgung; ferner bedeutet es auch eine Verminderung der durch die Transporte (in allen Lebensphasen) verursachten Umweltbelastungen" (Stahel 1995:185).

Auf S. 189 präsentiert Stahel eine ganz Latte von konkreten Schritten zur Verwirklichung dieser Strategie; das einzige, was fehlt, ist das wirtschaftliche Rationale: warum sollte unter den gegebenen Marktverhältnissen ein einziger Unternehmer diese Richtung einschlagen? Nein, falsch: Unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen mit ihrer hohen Ressourcenproduktivität kann es immer einzelne Unternehmer geben, die solche marktwidrigen Strategien fahren - in einer Nische, in der sie dank des Kaufkrafttransfers aus den produktiven Teilen der Industrie überleben können.

Wenn die Entwicklung und Produktion von langlebigen Gütern und das Angebot von (ressourcenverbrauchsvermindernder) Güternutzung und von Dienstleistungen statt Wegwerfprodukten zum Attraktor der Unternehmensstrategie werden soll, muss der bestehende Wertschöpfungsprozess außer Kraft gesetzt werden. Solange das Aufspüren, Herauskitzeln und vorübergehende Befriedigen von immer neuen Bedürfnissen monetäre Wertschöpfung ermöglicht, und solange diese Wertschöpfung im Bereich der imaginären Bedürfnisse sich automatisch in Ansprüche an reale Ressourcen umwandelt, wird kein Unternehmer oder Manager, dem sein Leben an der Spitze der Firma lieb ist, auf die Idee kommen, langlebige reparaturfreundliche Güter anzubieten; im Gegenteil, der sich verschärfende Wettbewerb durch die Globalisierung und die Ausbreitung der Shareholder-Value-Mentalität sorgen dafür, dass die Unternehmen am erfolgreichsten und gewinnbringendsten sind, die immer schneller neue Produkte mit immer kürzerer Lebensdauer auf den Markt bringen - je kürzer und flüchtiger ihr Nutzen, desto besser!

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